Stellungnahme zum offenen Brief der Gruppe Taube Machtkritik

und zum Umgang mit eingegangenen Forderungen an den BGSD e.V.

Präambel

Die folgende Stellungnahme wurde verfasst vom amtierenden Vorstand des BGSD e.V. Sie spiegelt dessen Perspektive als berufsständische Vertretung wider. Der offene Brief der Tauben Machtkritik im Zusammenhang mit der Großen Dolmetscher-Umfrage 2023 hat auch innerhalb der Mitgliedschaft des BGSD für intensive Diskussionen gesorgt. Es war nicht möglich alle Meinungen in einer einzigen Stellungnahme abzubilden.

Um diesen Umstand zu berücksichtigen, haben diejenigen Landesverbände, deren Mitglieder diese Stellungnahme mehrheitlich unterstützen, diese mit ihrem Logo versehen.

Stellungnahme

Sehr geehrte Mitglieder der Gruppe Taube Machtkritik,

in Ihrem offenen Brief vom 08.02.2023 kritisieren Sie das ethische und methodische Vorgehen der Beteiligten am wissenschaftlichen Projekt „Die Große DolmetscherUmfrage 2022“ der Universität Hildesheim. In Ihrer Mail vom 08.02.2023, in der Sie Ihren offenen Brief ankündigen, fordern Sie den BGSD e.V. auf, sich von der Forschung zu distanzieren und sich öffentlich für seine Beteiligung zu entschuldigen. Weiterhin fordern Sie Dolmetscherverbände, in denen eine Person Mitglied ist, die an der Forschung beteiligt ist, auf, Konsequenzen zu ziehen und einen Ausschluss dieser Person zu erwägen. In den vergangenen Wochen haben wir sowohl die Perspektive der Universität eingeholt als auch Ihnen die Möglichkeit geboten, Ihre Kritikpunkte und Forderungen noch einmal in einem persönlichen Gespräch mit uns zu erläutern. Dieses Angebot unsererseits besteht weiterhin.

Wir als Bundesverband der GebärdensprachdolmetscherInnen Deutschlands e.V. sind daran interessiert, wissenschaftliche Forschung im Bereich Gebärdensprachdolmetschen zu fördern und zu unterstützen, soweit uns das im Rahmen unserer ehrenamtlichen Tätigkeit möglich ist. Wir werden öfter im Rahmen von Diplom- oder Bachelorarbeiten zu diesem Thema befragt und stellen Informationen bereit, wenn wir können. So war es auch in der von Ihnen kritisierten Untersuchung. Im Rahmen eines Seminars der Universität Hildesheim stellten sich zwei Mitglieder des Vorstands zu Verfügung, Fragen zur Zusammenarbeit mit unserer tauben Kundschaft zu beantworten. Das Interview fand als mündliches, leitfadengestütztes Gespräch mit Studierenden statt, zu dem die beiden Vorstandsmitglieder per Zoom zugeschaltet waren. Im Nachgang flossen die Inhalte als Grundlage in die Erstellung der Fragen für die Umfrage ein. Die weitere Konzipierung und Durchführung der Studie lag anschließend in der Hand der Forschenden, hier war der BGSD nicht mehr beteiligt.

Für uns war und ist es ein großes Anliegen zu erfahren, welche Bedarfe unsere taube Kundschaft hat und an welchen Stellen es Unzufriedenheiten gibt. In keiner wissenschaftlichen Untersuchung nehmen wir Einfluss auf die Methodik oder wissenschaftliche und ethische Umsetzung des Projektes. Unter der Prämisse der wissenschaftlichen Freiheit obliegt es den Forschenden, Methoden und Ansätze zu wählen, die dann durch die zuständigen Personen und Gremien in der Hochschule geprüft werden. Nach Veröffentlichung der Ergebnisse bzw. der Dissertation sollte unbedingt eine akademische Diskussion über die enthaltene Forschung stattfinden. Diese sollte unter allen gängigen Gesichtspunkten wissenschaftlicher Standards beleuchtet werden, sodass die Ergebnisse als valide anerkannt und genutzt werden können oder eben nicht. Zudem ist gerade Teil einer Arbeit zur Erlangung eines Doktorgrades – und auch hier setzt Ihre Kritik an – sich kritisch mit den verwendeten Methoden und Forschungsansätzen auseinander zu setzen, sie zu reflektieren und gegebenenfalls auch zukünftig besser geeignete Methoden und Forschungsansätzen zu identifizieren. Da weder die Forschungsergebnisse bislang öffentlich zugänglich sind noch die Dissertation bewertet und veröffentlicht wurde, kann unserer Ansicht nach nicht entschieden werden, ob dies erfolgt ist.

Durch das Anschreiben des Ethikrates und die geäußerten Zweifel an der Arbeit eben dieses Rates wurde ein Verfahren in Gang gesetzt, das externe Stellen mit einbeziehtDieses Verfahren wird zeigen, ob es Mängel im Umgang mit der Genehmigung der Studie gegeben hat. Eine Einsicht in die Arbeit und somit eine wissenschaftlich fundierte Diskussion ist erst nach Abschluss des hochschulinternen Bewertungsverfahrens und nach Veröffentlichung der Dissertation möglich. Sie obliegt zudem Wissenschaftler:innen und Expert:innen, die die nötige Fachkompetenz mitbringen.

In Bezug auf Ihre Kritikpunkte können und wollen wir keine Bewertung abgeben.

Wir als Vorstand des Bundesverbandes der GebärdensprachdolmetscherInnen Deutschlands e.V. und als Gebärdensprachdolmetscher:innen haben nicht die Expertise zu bewerten, ob im Bereich der Translationswissenschaften ein partizipatorischer Forschungsansatz nicht nur wünschenswert, sondern der einzig mögliche und angemessene Ansatz gewesen wäre.

Wir verstehen die vorgebrachte Kritik und wünschen uns, dass diese Aspekte intensiv an den Hochschulen und in den wichtigen akademischen Gremien in Deutschland diskutiert werden, um Veränderungen zu bewirken. Wir werden die abschließende wissenschaftliche Bewertung abwarten, um dann zu entscheiden, ob und in welcher Weise die Ergebnisse der Untersuchung für uns verwendbar sind oder nicht.

Abschließend möchten wir kurz auf Ihre Forderung des Ausschlusses eines beteiligten Mitgliedes eingehen. Wir als Dachverband haben keine Einzelmitglieder, sondern vertreten die Verbände vieler Bundesländer. Wir haben keinen direkten Einfluss auf einzelne Mitglieder. Der Vereinsausschluss gilt als härteste Disziplinarmaßnahme, zu denen ein Verein greifen kann, um die Mitgliedschaft einseitig und mit unmittelbarer Wirkung zu kündigen. Die Entscheidung über solche harten Maßnahmen obliegt den Landesverbänden, in denen die Person Mitglied ist auf Basis der jeweiligen Satzung und Geschäftsordnung. Die Kriterien für einen Ausschluss aus einem Berufsverband, der zum Zwecke des Erhaltes und der Weiterentwicklung des Berufsstandes agiert, kann und sollte nicht mit wissenschaftlicher Forschung verknüpft werden.

Wir freuen uns auf einen konstruktiven Austausch, der Vorstand des BGSD e.V.

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